Nicht ohne mein Bewegungsbad

Wenn morgen die Praxis in Flammen steht, welches Therapiematerial würden Sie sich beim Hinauslaufen schnappen? Auf welches Hilfsmittel, welchen Alltagsgegenstand oder welches Spiel möchten Sie bei Ihrer Arbeit auf keinen Fall mehr verzichten – und warum? Ist das Therapiemittel so vielseitig einsetzbar, sprechen die Patienten besonders gut darauf an oder entlastet es Sie körperlich? Stellen Sie Ihren persönlichen Favoriten hier vor.

Wenn Gelähmte wieder gehen können
Das ist das, was ich in unserem Bewegungsbad erleben darf: Menschen, die im Rollstuhl sitzen, können im Wasser wieder gehen. Ich kann an ihren Gesichtern ablesen, wie glücklich sie das macht. Ich erinnere mich gut an einen älteren Patienten mit Guillain-Barré-Syndrom, der mit dem Rollstuhl an die Treppe zum Bad fuhr, hineinstieg und dann aufrecht und ohne Hilfe mit einem zufriedenen Lächeln durch das Wasser gehen konnte. In dem Moment wird klar, dass keine Behandlung außerhalb des Bads dieses Erlebnis ersetzen kann.

Warum ist es Ihr persönlicher Favorit?
Den meisten Patienten fallen Bewegungen im Wasser leichter. Belastete Strukturen werden im Wasser geschont, und ein Körper wiegt hier dreimal weniger. Das heißt, es ist viel weniger Kraft erforderlich, um eine Bewegung durchzuführen. Bei Übergewicht, Arthrosen und Muskelschwäche hilft der Auftrieb, und das Wasser trägt den Patienten. Menschen fallen im Wasser nicht so leicht um, sie fühlen sich sicherer. Schließlich sind sie schon vor der Geburt im Mutterleib vom Fruchtwasser umgeben. Vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass sich viele im Wasser einfach wohlfühlen und ihnen die Bewegung dort Spaß bringt. Gleichzeitig kann ich das Wasser als Widerstand nutzen, da ich mich gegen die Auftriebskraft behaupten muss, wenn ich beispielsweise einen Auftriebskörper nach unten bewegen möchte. Je nach Bewegungstempo ist der Wasserwiderstand höher oder geringer.

Bei welchen Patienten setzen Sie das Bewegungsbad ein?
Unser Praxisteam ist mit etlichen neurologischen Patienten im Bewegungsbad, die mithilfe eines Lifters ins Wasser gelangen. Dort stehen ihnen wesentlich größere Bewegungsmöglichkeiten zur Verfügung. Das wirkt sich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf die Psyche des Patienten aus. Im Wasser ist er zu Dingen fähig, die ihm sonst nicht möglich sind – oft sogar ohne Hilfe. Weitere Anwendungsgebiete sind Arthrosen, Zustände nach Gelenksersatz und chronische Schmerzen, etwa im Lumbalbereich. Im Prinzip lässt sich das Bad bei allen Erkrankungen des Skelettes und der Skelettmuskulatur anwenden.

Wie wenden Sie das Bewegungsbad an?
Die meisten Patienten, die wir in unserem Bewegungsbad behandeln, kommen direkt mit einer Verordnung dafür. Patienten, für die die Behandlung im Wasser eine gute Ergänzung zur eigentlichen Therapie wäre, empfehlen wir, sich das Bewegungsbad als zusätzliches Heilmittel verordnen zu lassen. Bei neurologischen Patienten findet das Bad meistens als Doppelbehandlung statt, damit der Therapeut genug Zeit hat, um den Patienten im Wasser zu unterstützen. Bei den orthopädischen Krankheitsbildern ist eine einfache Behandlung ausreichend, der Therapeut bleibt außerhalb des Wassers und gibt die Anweisungen von dort. Außerdem bieten wir an, das Bewegungsbad ohne Verordnung im Rahmen eines Gruppenkurses zu nutzen.

Was ist das Besondere am Bewegungsbad?
Unser Bad hat 32 Grad Celsius. Durch das warme Wasser kommt es zu Schmerzreduktion und Entspannung. Auftrieb und Wasserdruck ermöglichen Bewegungen, die außerhalb des Wassers nicht möglich sind. Auch schwergewichtige Patienten fühlen sich im Wasser leicht und beschwingt. Ein effektives Muskel- und Kreislauftraining ist möglich, weil der Patient kaum Anstrengung spürt.


up_physio 08.2021