Nicht ohne meinen Eisbeutel

Wenn morgen die Praxis in Flammen steht, welches Therapiematerial würden Sie sich beim Hinauslaufen schnappen? Auf welches Hilfsmittel, welchen Alltagsgegenstand oder welches Spiel möchten Sie bei Ihrer Arbeit auf keinen Fall mehr verzichten – und warum? Ist das Therapiemittel so vielseitig einsetzbar, sprechen die Patienten besonders gut darauf an oder entlastet es Sie körperlich? Stellen Sie Ihren persönlichen Favoriten hier vor.

Wir machen unsere Patienten „kalt“
Mit einem Beitrag im Fernsehen Anfang der 1980er Jahre fing alles an. Dort wurde über Dr. Yamauchi, seine Rheumaklinik und die Kältekammer berichtet. Mein Vater, ein Masseur aus Leidenschaft und einer der ersten Sportphysiotherapeuten des Deutschen Olympischen Sportbundes, wollte mehr darüber erfahren. Der Kontakt wurde hergestellt, und er besuchte Dr. Yamauchi in Japan. Die Behandlung der Patienten sah er sich aus nächster Nähe an. Von der Therapiemethode überzeugt, brachte er die original japanischen Eisbeutel, die dort zum Einsatz kamen, mit nach Hause.

Warum sind sie Ihr persönlicher Favorit?
Durch den Eisbeutel setzt eine sehr schnelle Schmerzreduktion ein. Wir nehmen zwei Eisbeutel und kühlen das Gebiet ca. 30 bis 40 Sekunden mit leicht schüttelnden Bewegungen. Durch den fast direkten Kontakt mit dem Eis spürt man die Kälte sehr schnell, und sie dringt tief in das Gewebe ein. Die meisten Patienten, deren Bewegung schmerzhaft eingeschränkt ist, freuen sich auf die Eisbehandlung, weil sie sich danach besser bewegen können. Im Sommer nimmt die Zahl der Fans mit jedem Grad zu.

Wie setzen Sie die japanischen Eisbeutel ein?
Anwendungsbereiche für die Eisbeutel sind schmerzhafte Arthrosen, vor allem im Knie- und Schulterbereich, gelenksnahe Weichteilläsionen, Gelenkkontrakturen, Zustand nach Operationen und Indikationen aus dem rheumatologischen Bereich wie Arthritiden und Weichteilentzündungen. Aber auch bei Verletzungen wie Verstauchungen, Prellungen und Quetschungen, z. B. im Sportbereich, wenden wir den Eisbeutel an.

Wie läuft die Behandlung dann ab?
In der Therapie bereiten wir das Gewebe manuell vor und sorgen so für eine Erhöhung des Stoffwechsels im betroffenen Gebiet. Dann wird der Patient „kalt gemacht.“ Durch das Eis erreichen wir eine Schmerzreduktion, die wir ausnutzen. Wir lassen den Patienten direkt im Anschluss an die Kältebehandlung Übungen ausführen. So bringen wir den behandelten Bereich schmerzfrei bzw. schmerzreduziert in Bewegung. Das neu erreichte Bewegungsausmaß wird sofort aktiv beübt. Durch diese Mischung aus passiven und aktiven Maßnahmen erzielen wir mit unseren Patienten sehr gute Erfolge. Die Bewegung und die Thermoregulation des Körpers sorgen für eine gesteigerte Durchblutung und eine Erhöhung des Stoffwechsels infolge der Kältetherapie. So werden Abfall- und Schlackenstoffe schneller abtransportiert und das Gewebe besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.

Was ist das Besondere an den japanischen Eisbeuteln?
Die Eisbeutel bestehen aus Kautschuk und sind mit Eiswürfeln und etwas grobkörnigem Salz gefüllt. Das Salz löst sich auf und zieht durch diesen Prozess Wärme aus dem Eis. Dadurch werden Temperaturen von bis zu –18°C erreicht. Mit den in Deutschland üblichen Eisanwendungen in Form einer über lange Zeit auf die Haut einwirkende Eispackung oder des ganz kurz über den betroffenen Bereich geriebenen Eis-Lollys hat die Behandlung mit dem japanischen Eisbeutel also nur wenig zu tun.


up_physio 03.2021